Gedenkandacht 2019


am Sonntag, 17. November 2019 um 14:00 Uhr
in der Evangelischen Kirche in Freyung

 

Für die Verstorbenen,
die wir auf ihrem letzten Lebensweg begleitet haben
sowie für alle, die um einen lieben Menschen trauern.

 

 


Die Geschichte von Melly, der Raupe

Melly fühlte sich sehr wohl im Wald. Mit Genuss knabberte sie an den Blättern und nippte morgens am frischen Tau. Melly wünschte, es würde niemals anders werden. Doch eines Tages – es war schon Herbst – kam Rollo, der alte und sehr weise Käfer. ,Melly, jetzt heißt es Abschied nehmen‘, sagte er, es ist Zeit für dich, dein gemütliches Raupenleben aufzugeben. Krabble auf jenen starken Ast und webe dir einen Kokon! Dort sollst du dann eine geraume Zeit bleiben. ‘Nein‘, rief Melly erschrocken, ich will nicht in dieses Gefängnis! Mir gefällt es hier zwischen den Blättern. Im Kokon muss ich still liegen und werde sterben.

Nie wieder kann ich eine Raupe sein!‘  Du musst still liegen im Kokon, das stimmt‘, pflichtete Rollo bei, und du wirst nie wieder eine Raupe sein. Aber wenn der Winter vorbei ist und die ersten Frühlingsblumen blühen, wirst du aus deinem Kokon schlüpfen. Doch dann wirst du nicht mehr mühsam auf dem Boden krabbeln. Du wirst weit über dem Staub der Erde schweben - als wunderschöner, unendlich zarter Schmetterling. Das ist das eigentliche Ziel deines Lebens.

Erreichen kannst du es aber nur, wenn du vorher den bitteren Weg in den Kokon gehst. Durch Sterben zum Leben – anders geht es nicht.‘ So schwer es unserer Melly auch fiel – sie webte sich einen Kokon und blieb dort für lange Zeit.

Doch als sich die ersten Frühlingsblumen zeigten, tanzte ein wunderschöner Schmetterling von Blüte zu Blüte. Und keinen Augenblick sehnte er sich danach, wieder als Raupe zwischen den Blättern zu krabbeln.