Gedenkandacht 2021
Noch nicht
Einer Frau war ein Unheil widerfahren. Viele Nachbarn und Freunde sorgten sich um Sie, den sie kaum noch aus dem Haus, aß nur wenig und schien alle Kraft zum Leben verloren zu haben.
„Da muss etwas geschehen“, sagte eine Nachbarin „sie sollte sich zusammenreißen“, eine andere. Sie beschlossen, die Frau aufzumuntern.
Die erste brachte ihre eine wunderschöne Schale:“ die habe ich für dich getöpfert, „sagte sie, „geh auf die Suche nach etwas Schönem und lege es hinein, damit du dich daran freuen kannst.
Sieh her, wieviel Mühe ich mir für dich gemacht habe, du darfst das nicht ablehnen. „Die Frau nickte. Sie wollte nicht unhöflich sein.
Gehorsam machte sie sich auf den Weg, etwas Schönes zu suchen. Doch als sie um sich das pulsierende Leben wahrnahm, verschleierten sich ihre Augen mit Tränen, so dass sie nirgendwo etwas Schönes entdecken konnte.
Unverrichteter Dinge kehrte sie heim. Da versucht die zweite Nachbarin ihr Glück. Sie brachte ihr einen bunten Feldblumenstrauß mit und sagte: „Du musst in die Natur gehen, dich auf eine Sonnenwiese legen und dort dich als lebendiger Teil der Schöpfung spüren. Atme tief die gute Luft ein, beobachte den Lauf der Wolken, fühle das Leben. Dann wirst du genesen.“
Die Frau versprach es, weil sie ihre gute Absicht spürte. Als sie in der Natur war, fand sie die Sonnenstrahlen zu hell, das Leben um sie herum kränkte sie, und sie fühlte sich verlassen wie vorher.
Da besuchte sie eine gute Freundin. Sie schenkte ihr drei Steine. Einer war rund und abgeschliffen, ein anderer eckig und spitz, der dritte hatte tiefe Furchen.“ Schau wie verschiedenartig diese drei Steine sind. Nicht nur von Form und Farbe, ihre Beschaffenheit, ihre Maserung, die Stellen, an denen sie geschliffen wurden.
Ihr ganzes sein ist gekennzeichnet von dem, was sie an ihrem Platz erfahren haben. Der runde Stein kann nur rund sein, der eckige nur kantig und spitz, und der durchgefurchte kann seine Einkerbungen nicht verbergen.
So geht es auch dir. Suche nach deinen Möglichkeiten, kehre bei dir ein, den nur bei dir wirst du schrittweise die Kraft, zu gehen, und die Geduld, abzuwarten, finden zu können.“
„Traust du mir das zu?“, fragte die Frau.“ Ja, ich vertraue dir“, sagte die Freundin.
Die Frau sah die Schale und die Blumen an, stand auf und schob sie beiseite.“ Ihr seid noch nicht an der Reihe. Noch seid ihr die Schale und die Blumen meiner Nachbarinnen. Erst muss ich Einkehr bei mir halten. Vielleicht werde ich dich eines Tages wieder füllen können, Schale, und mich an euch, ihr Blumen, erfreuen. Doch jetzt kann ich das nicht- noch nicht. Habt Geduld mit mir.“
(Unbekannter Verfasser)